Noch vor einem Monat habe ich geschrieben, dass ich keinen Facebookaccount mehr habe und dass sich mir die Sinnhaftigkeit auch nicht so wirklich erschließen will. Knapp 40 Tage später habe ich doch einen Facebookaccount und mich dadurch natürlich selbst Lügen gestraft. Doch was ist passiert, woher der Sinneswandel?

Des Rätsels Lösung ist eigentlich recht einfach: An vielen Stellen im Netz kann man sich heutzutage mit einem Facebookaccount einloggen. Zum Beispiel bei den Onlinetools von Aviary. Oder bei verschiedenen Onlinediensten. An so ziemlich jeder Ecke läuft einem „logge Dich mit Deinem Facebookaccount ein, oder mach Dir hier einen neuen Account“ über den Weg. Natürlich könnte man sich überall einen eigenen Account zulegen – oder man hat nur einen Account und ein Passwort, wenn man eben bei Facebook ist.

Ein neuer Account

Also habe ich mir vor einer Woche einen Facebookaccount zugelegt – ich habe mein Avatarbild hochgeladen, das auch rechts hier im Blog zu sehen ist, ansonsten hat Facebook meinen Namen und meine Mailadresse bekommen. Sonst nichts. Noch habe ich den Vorsatz, es dabei zu belassen und keine weiteren Informationen in die Datenbank des

Sag mir was Du magst und ich...(?)

Datensammlers zu schreiben. Vielleicht überkommt mich aber ja doch noch der verlockende Charme der Selbstdarstellung und ich gebe ein, wo ich wohne, welche Hobbys ich habe, wo ich studiert habe und was ich so mache. Man will sich dann ja doch „professionell“ geben, oder? Oder nicht? Schaunmermal.

Privatsphäre regeln

Nun ja: Eine gute Viertelstunde habe ich nach der Anmeldung damit zugebracht, in den „Privatsphäreeinstellungen“ Häkchen zu setzen oder zu entfernen, so dass möglichst wenig mit meinen Daten bei Facebook angestellt werden darf. Ich möchte nicht, dass Leute mich auf Fotos markieren können, ich möchte nicht, dass Freunde von Freunden (und dann wahrscheinlich auch deren Freundesfreunde) irgendwas von mir, das ich gepostet habe, irgendwohin umleiten können. Auch schien es mir angebracht, all die ganzen Personalisierungen, die Facebook angeblich auf Webseiten für mich vornehmen kann, wenn ich noch einen Facebookcookie auf dem Rechner habe, abzustellen. Ob ich dabei alle Ecken und alle Haken gefunden habe, weiß ich nicht.

Woher weiß Facebook das?

Interessant und zugleich erschreckend fand ich, was dann passierte: Facebook schlug mir vor, dass ich doch nun

Kennst Du den?

Freunde finden solle, ich könne dazu mein Adressbuch zur Verfügung stellen, das würde Facebook sich dann automatisch von meinen iCloud-Account herunterladen. Natürlich habe ich das dem nicht zugestimmt. Ich vermute aber, dass andere Benutzer dies getan haben müssen, denn nun begann Facebook damit, mir vorzuschlagen, mit wem ich mich anfreunden könnte.
Darunter z.B. die Tochter eines lieben Freundes sowie ein Fachleiterkollege aus einem anderen Seminarbezirk in NRW. Wie will Facebook mitbekommen haben, dass ich diese beiden Personen kenne? Merkwürdig. OK, dass Facebook mir vorschlägt, ich solle mit Mischl eine Freundschaft eingehen, kann ich mir noch erschließen, dass wir beide etwas miteinander zu tun haben, könnte man durch eine Googlesuche herausfinden. Trotzdem, wenn man bedenkt, dass Facebook mehrere Millionen Benutzer hat, dann möchte man schon wissen, wie es dazu kommt, dass Facebook ausgerechnet Mischl, Helen und Wolfgang herausfischt um mir diese drei als meine ersten Freunde vorzuschlagen.

Ebenfalls unter den ersten Vorschlägen zur Freundesliste war eine Schülerin. Eine 13er Schülerin, die derzeit (über Facebook, ich berichtete) die Proben des Abichores koordiniert. Ich bin fest davon überzeugt, dass mindestens 90% unserer Schüler bei Facebook sind und dass sehr viele davon meine private und meine dienstliche Mailadresse kennen – warum schlägt Facebook mir ausgerechnet Schülerin M. als Freundin vor, mit der ich in den letzten Wochen häufig gemailt habe.Welche Daten hat Facebook hier wo ausgelesen?

Auch interessant: Ich hatte mir vorgenommen, nicht selber aktiv zu werden und Menschen zu meiner „Freundesliste“ hinzuzufügen. Wohl aber akzeptiere ich Freundschaftsanfragen, wenn mir die Menschen persönlich bekannt sind und ich auch so in einem persönlichen Verhältnis zu ihnen stehe. Kaum war ich bei Facebook angemeldet, kamen mehrere Freundschaftsanfragen von Kollegen. Woher weiß Facebook, dass es diesen Kollegen MICH als Freund vorschlagen soll? ICH hab der Webseite ja nicht gesagt, dass ich mit Hendrik und Sandra zusammen arbeite. Haben diese beiden, damals, als sie sich bei Facebook angemeldet haben, ihre Adressbücher an Facebook geschickt? Kann ich mir eigentlich gar nicht vorstellen. Zumal zumindest bei Sandra damals meine Mailadresse nicht im Adressbuch gestanden haben wird.

Je öfter ich jedenfalls auf „Freundschaftsanfrage akzeptieren“ klicke, desto mehr Vorschläge zu Freundschaften bekomme ich. Und je mehr „Freunde“ ich bei Facebook habe, desto eher kenne ich die Menschen, die Facebook mir vorschlägt. Hier scheint das Kriterium „ist auch befreundet mit…“ eine Rolle zu spielen, daher werden mir aktuell vor allem Kollegen vorgeschlagen. Fakt ist, dass Facebook schon jetzt in der Lage sein dürfte, ein gewisses Profil von mir zu erstellen. Ohne, dass ich der Datensammelanlage mehr gegeben hätte als meinen Namen und meine Mailadresse. Ich muss gar nicht einmal eintragen, was ich mag. Ich muss nur sagen, mit wem ich „befreundet“ bin und schon zieht sich das Datennetz enger zusammen und Facebook beginnt damit, mich zu „profilen“, wie es in den amerikanischen Kriminalserien ja immer heißt.

Momentanes Fazit

FB und OS X

Ich stehe dem Phänomen Facebook nach wie vor skeptisch gegenüber. Irgendwie möchte ich meine Daten keinem Konzern in den Rachen werfen. Auf der anderen Seite scheint es so, dass Facebook schlicht omnipräsent ist. Schaut man sich an, dass eine der bedeutendsten Änderungen im neuen Mac OS X Mountain Lion sowie im kommenden iOS 6 sein wird, dass nun „endlich“ Facebook integriert ist, so frage ich mich ja doch, was bei mir schief läuft. Ich bin froh über meine Privatsphäre und von „post privacy“ halte ich absolut rein gar nichts. Aber irgendwie geht es dann doch nicht ohne? Oder wie?

Das Facebook-Phänomen
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6 Kommentare zu „Das Facebook-Phänomen

  • 18. Juni 2012 um 21:24 Uhr
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    Bringts das wirklich?
    Oder sind alle Argumente Hilfsargumente, um die grassierende Internetsucht zu kaschieren?

  • 18. Juni 2012 um 22:10 Uhr
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    Ich habe ja die Vermutung, dass es hier vielleicht nicht nur um Internetsucht, sondern um eine Art „Vernetzungssucht“ und – letztlich – Geltungssucht gehen könnte. Je mehr Freunde ich hab, desto wichtiger scheint(!) mein alltägliches Leben zu werden. Ich gehe nicht einfach nur irgendwo einen Kaffee trinken, ich mache ein Foto davon, zeige, was für ein Bohème ich bin – und 237 „Freunde“ teilen den Moment mit mir. Scheinbar jedenfalls. Für mich sind Facebook und Co weiterhin Schein- und Parallelwelten. Mal schauen, wie lange ich es darin aushalte.

    • 15. Juli 2012 um 19:27 Uhr
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      Ich bin weiterhin gespannt und warte auf neue Berichte.
      Ich für mich habe mich jedenfalls dagegen entschieden.
      LG Jürgen

      • 17. Juli 2012 um 10:22 Uhr
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        So ganz viel gibt es gar nicht zu berichten. Hin und wieder erreichen mich neue „Freundschaftsanfragen“, die ich, wenn ich die anfragenden Menschen kenne (und wenn es keine Schüler sind, die noch bei uns zur Schule gehen) dann auch akzeptiere. Ich habe bei Facebook das Foto hinterlegt, das hier auch als mein Avatar auftaucht, ansonsten nur ganz spärliche Informationen (wo ich arbeite und wohne), die man aber auch und viel detaillierter über diese Webseite bekommen würde.

        Ich verspüre keinerlei Drang, Dinge bei Facebook hochzuladen, noch schaue ich regelmäßig dort hinein.

        Vor zwei Wochen habe ich ein kleines Experiment gemacht: Wir saßen bei Freunden auf der Terrasse und haben gegrillt. Ich habe, um den Umsitzenden zu beweisen, dass Leute bei Facebook ALLES kommentieren, ein Foto des Grills (ohne Menschen, ohne Grillgut) online gestellt. Sofort(!) kamen mehrere Kommentare und „Gefällt mir“-Angaben. Mir wurde zum neuen Grill gratuliert (dabei hätte klar sein müssen, dass Terrasse und Garten nicht meine sind) und Kollegen, mit denen ich sonst selten ein privates Wort wechsle scherzten über den Ferienanfang mit Grillgut, etc.

        Facebook schafft eine eigene Realität. Wenn ich schaue, was dort von anderen geteilt wird, habe ich ganz stark das Gefühl, dass es darum geht, Applaus zu ernten für alltägliche Dinge („Habe gestern bis 3:00 Uhr gefeiert“, „Habe Erdbeeren geerntet und mir jetzt einen Pudding dazu gemacht“, „Habe meinen Geburtstag auf einer Go-Kart-Bahn verbracht“).

        All das wird wohlwollend von den Facebook“freunden“ aufgenommen. Es gibt ja auch ganz bewusst bei Facebook keinen „Gefällt mit nicht“-Button. Facebook verkauft Happy-Hippo-Ham-Wa-Uns-alle-lieb-Lebensgefühl. In bestimmten Kreisen würde man hier aktuell wahrscheinlich von #Flausch reden.

        Auf Facebook kann man zeigen, wer man ist: Schau, wen ich alles kenne, da sind sogar Leute aus dem Ausland dabei, schau, wo ich überall schon war oder regelmäßig bin, schau, was ich mir leiste, mein Haus, mein Auto, mein Boot, mein Kind, meine Frau, mein Hund, meine Katze.

        Und alles wird mit „Gefällt mir“ versehen.

        Manchmal stelle ich mir vor, wie Real-Life-Facebook wohl aussehen würde? Leute, die im Café sitzen, würden plötzlich lauthals rufen „ICH ESSE GERADE EIN ERDBEEREIS IN WARNEMÜNDE“ und die Umsitzenden würden aufspringen, den Daumen in die Luft recken und rufen „GEFÄLLT MIR“.

        Ich kann nachvollziehen, dass gerade Jugendliche dem Sog von Facebook verfallen. Wer möchte als Jugendlicher nicht Rückmeldung zum eigenen Tun haben? Man ist ja doch unsicher, ob man auf dem richtigen Pfad wandelt. Wenn jede Entscheidung und alles, was ich tue, bei Facebook dokumentiert und kommentiert wird, kann ich mir einreden, dass ganz viele das schon „voll ok“ finden, was ich da so mache.

  • 13. August 2012 um 11:46 Uhr
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    Ich habe jetzt das Bedürfnis, „Gefällt mir“ zu drücken ;)

    Nee mal im Ernst. Kurz vor den Ferien habe ich mich auch vorläufig von FB verabschiedet. Hatte keine Lust mehr darauf (und war von ein paar fiesen Kommentaren gefrustet). Nun ja. Dann ging’s in den Urlaub, ich kam zurück und mich erwarteten 40 Benachrichtigungen, die mich allesamt NULL interessierten.
    Also habe ich meine Abstinenz verlängert (nur die Seite „Der steinige Weg“ wird mit Artikellinks gefüttert) und das war’s. Es fehlt mir auch nicht. Und ich war wirklich süchtig, habe noch im Bett meine Seite gecheckt, gepostet wie müde ich bin etc pp.

    Übrigens: mein Freund hat sich auch lange gegen FB gewehrt, dann doch angemeldet und bekam als erstes MICH als Freundin vorgeschlagen. Ist also kein Einzelfall. Gruselig.

    Ach ja, hilfreich war auch, die FB-App. vom Handy zu löschen. Selbst wenn ich was Posten wollen würde, ginge es nicht ohne Download & Blabla. Da hab ich dann schon keine Lust mehr.

    Ersatzdroge: Twitter. Wobei ich das sparsamer dosiere als FB „früher“. Und die Leute folgen mir freiwillig, Also muss sich auch keiner beschweren.

    Find ich gut so ;) bzw: Gefällt mir ;)

  • 15. August 2012 um 10:16 Uhr
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    Endlich komme ich dazu, mal Deinen Kommentar zu beantworten, liebe Frau A.: Ich habe ja inzwischen wieder den Facebook-Account, aber ich schaue da nur maximal ein oder zwei Mal pro Woche überhaupt rein, um festzustellen, dass das, was dort gepostet wird von maximaler Irrelevanz ist. Ich selber poste dort nichts sondern sehe das eher so, dass ich halt jetzt dort mit meinem Namen vertreten bin und damit im Zweifelsfall beweisen kann, dass ICH das bin und niemand anderes auch als Sebastian Dorok dort auftritt.

    Was Twitter angeht: Auch da habe ich meinen weithin bekannten Account vor geraumer Zeit gelöscht und bin dann ein paar Wochen später unter neuem Namen dort wieder eingestiegen, ich nutze das aber inzwischen genau so wie den Facebook Account: Ich poste nichts, folge lediglich Accounts wie dem ZDF und der ARD und mache den Twitterclient höchstens einmal in der Woche auf.

    Wenn man erstmal aus der „ich-muss-unbedingt-Twitter-lesen-sonst-verpasse-ich-was“-Phase raus ist, merkt man urplötzlich, dass da, genau wie bei Facebook, vollkommen irrelevanter Quatsch geschrieben wird.

    Ich habe mir während meiner aktiven Twitterzeit immer vorgemacht, da würde ich:

    * Hinweise auf interessante Artikel bekommen
    * in Fachaustausch mit anderen Lehrern treten
    * Kontakte knüpfen

    Für mich persönlich hat sich das alles als Blödsinn herausgestellt. Ich habe zigmal die Artikel per Twitter empfohlen bekommen, die bei mir eh schon über den Newsreader reingeflogen kamen. Und gelesen habe ich von dem, was ich da dann per „Favoriten“-Funktion gespeichert habe ganz genau nix, weil ich nämlich gar keine Zeit dazu habe, auch noch das zu lesen, was Kollege XY aus Frankfurt oder Berlin oder Düsseldorf mir gerade empfiehlt.

    Wer, wie ich damals, glaubt, in 140 Zeichen in einen Fachaustausch treten zu können, der hat, sorry, einen an der Murmel.

    Über Twitter bin ich ziemlich genau mit einer Person in Kontakt gekommen, die ich vorher nicht in der Kontaktliste hatte, die dann auch für ein von mir herausgegebenes Heft geschrieben hat. Alle anderen „Kontakte“ und „Follower“ und so sind nach der Löschung meines Accounts ganz genau so im Datennirwana verschwunden wie all die „Freunde“ auf Facebook, die mein alter Account so aufwies.

    Interessant zu beobachten war während meiner aktiven Twitterzeit allerdings, dass es durchaus möglich war, dass ich mich über Tweets von Menschen, die ich gar nicht persönlich kenne und wahrscheinlich nie kennen lernen werde, richtiggehend aufregen konnte und mich genötigt sah, mit diesen Menschen in einen 140-Zeichen(*rofl*)-Disput zu treten. Was für ein Blödsinn. Wenn irgendwer in Berlin oder Düsseldorf oder Frankfurt irgendeinen (in meinen Augen) Quatsch über seine Art des Unterrichtens schreibt, dann sollte mir das schlicht und ergreifend eines sein: Vollkommen egal. Aber nein, als Twitteruser musst Du ja Stellung beziehen und eine @reply schreiben.

    –> http://imgs.xkcd.com/comics/duty_calls.png (sagt alles)

    Mein Fazit nach wie vor:
    Alle diese Socialnetworks, sei es Facebook, Google+, Twitter oder was-auch-immer verkaufen eine Illusion, der man nur zu gerne nachgeben mag. Letztlich bekommt man genau eine Sache: Einen (oder mehrere) totale Zeitkiller. Ich bin inzwischen reichlich froh (und meine Umwelt auch), dass ich nicht permanent das Smartphone in den Fingern habe um zu schauen, was ich gerade auf Twitter „verpasse“ ;-)

    Allerdings:
    Eine kleine Nachbemerkung zu Twitter: Vorgestern hat es hier in der Nähe gebrannt – dicke Rauchschwaden stiegen weit in den Himmel. Ein Suche bei Twitter nach Ortsname und Feuer ergab in Sekundenschnelle die Antwort, was und wo es gerade brennt und ob man sich ob eventueller Chemikalien wohl Sorgen machen müsste. Das (sehr zeitnahe ortsrelevante Infos zu bekommen) ist so ziemlich die einzige Funktionalität von Twitter, die ich durchaus sinnvoll finde.

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